Wien 1900 / Der Wiener Stil
Die formal-stilistische Moderne der Secession, der Kunstgewerbeschule und der Wiener Werkstätte steht im klaren Gegensatz zu Adolf Loos’ kultureller Moderne. Für Loos ist Moderne eine Frage der Haltung, nicht des von Künstler*innen entwickelten Stils oder Ornaments. Die Verbindung von Kunst und Funktion im Alltagsgegenstand lehnt er als kulturlos ab, mit Ausnahme von Otto Wagner, dem er die künstlerische Umsetzung von Funktion zugesteht. Damit widersetzt er sich der von der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung inspirierten Überzeugung der Secessionisten, dass Schönheit den Alltag verbessern könne.
Die Secessionisten strebten seit 1897 einen spezifisch österreichischen, in Wahrheit Wiener Stil an, basierend auf Mosers japanisch beeinflusster Flächenkunst, dem klassizistischen Erbe des Biedermeier und heimischer Volkskunst. Erstmals 1900 ausgestellt, wurde er durch Hoffmanns und Mosers Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbeschule verbreitet.
Zwischen 1900 und dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich das Wiener Kunstgewerbe rasant: von geometrisch-abstrakten Anfängen über eine klassizistisch geprägte, vegetabil ornamentierte Phase ab 1906/07 bis zu den rokokobehafteten, atektonischen Entwürfen Dagobert Peches. Peche stellte das Einheitsideal der Secession infrage und forderte die Überwindung der bloßen Zweckgebundenheit. Ab 1910 trat zudem eine neue Architektengeneration (u. a. Josef Frank, Oskar Wlach, Oskar Strnad) hervor, die den gesellschaftlichen Wandel berücksichtigte und das Gesamtkunstwerk kritisch beurteilte.