Wien 1900 / Auf der Suche nach einem modernen Stil

Zwischen 1890 und 1900 setzte in Österreich eine bewusste Abkehr vom Historismus ein, verbunden mit der Suche nach einem modernen, eigenständigen Stil. Anregungen kamen aus Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland sowie aus dem japanischen Kunstgewerbe. Zahlreiche zeitgenössische Ankäufe ausländischer Erzeugnisse und als vorbildlich erachtete japanische Arbeiten prägten die Entwicklung und wurden gezielt an kunstindustriellen Unterrichtsanstalten in der gesamten Monarchie verbreitet. Auch Arbeiten von Schüler*innen belegen den Einfluss dieser Vorbilder.

Die Gründungsmitglieder der Wiener Secession übernahmen aus England die Idee der „Einheit der Künste“, die auch künstlerisch gestalteten Alltagsgegenständen Kunststatus zusprach. Bedeutende Vertreter dieser Strömung waren Josef Hoffmann, Koloman Moser und Joseph Maria Olbrich. Otto Wagner formulierte zudem die für die Wiener Moderne zentrale Forderung nach einem Funktionsstil, anschaulich umgesetzt in einem 1899 entworfenen Geschirrschrank, der als erstes „modernes“ Wiener Möbel gilt.

Anfangs von belgischen und französischen Jugendstilformen geprägt, entwickelte Wien ab 1900 eine eigenständige Formensprache, die auf der heimischen Biedermeiertradition basierte und geometrisch-abstrakte Züge annahm. Mosers Buffetschrank Der reiche Fischzug von 1900 markiert diesen Wandel. Parallel dazu verfolgte Adolf Loos einen alternativen Ansatz, der sich vom Gesamtkunstwerksgedanken der Secession absetzte. Ein Beispiel hierfür ist eine Sitzecke aus dem Herrenzimmer der Wohnung Turnowsky.

(Kurzfassung des Textes von Christian Witt-Dörring aus Christoph Thun-Hohenstein u. a., MAK/Guide Wien 1900, Design/Kunstgewerbe 1890-1938 [anlässlich der Neuaufstellung der MAK-Schausammlung], 2013, S. 34f.)