Wien 1900 / Vom Wiener Stil zum internationalen Stil
Die heterogene Objektwelt der österreichischen Zwischenkriegszeit unterscheidet sich sowohl durch ihr späteres Entstehungsdatum als auch durch stilistische Vielfalt von den vorherigen Epochen. Diese Vielfalt entstand durch eine zunehmend demokratische Haltung, die individuelle Bedürfnisse akzeptierte und damit unterschiedliche Schichten von Käufer*innen ansprach. Die gesellschaftlichen Umbrüche nach dem Ersten Weltkrieg stellten die Moderne vor neue Herausforderungen: Neben neuen Repräsentationsformen entstanden auch Lösungen für bisher wenig beachtete soziale Gruppen, oft auf Basis standardisierter industrieller Produktion – ein Bereich, den Museen erst in den 1990er Jahren als sammlungswürdig anerkannten.
Obwohl in Österreich eine neue Generation von Gestalter*innen die Formenwelt der internationalen Moderne vertrat, blieb – im Gegensatz zu Deutschland – die von den Secessionisten geprägte Arts-and-Crafts-Tradition der exklusiven Handwerksfertigung lebendig. Ein Beispiel sind die 1934 für die Ausstellung Das befreite Handwerk aufwendig gefertigten Objekte, die als Reaktion auf die 1930 gezeigte, modernistisch-industriell ausgerichtete Werkbundausstellung entstanden.
Zwar hatte die Vorstellung von der Einheit der Künste ihre Bedeutung verloren, doch das damit verbundene Qualitätsbewusstsein, kombiniert mit Loos’ kulturkritischen Ideen, führte zu einer spezifischen Wiener Ausprägung des Übergangs vom Wiener Stil zum Internationalen Stil. Josef Franks Satz “Stahlrohr ist kein Material, sondern eine Weltanschauung” verdeutlicht diese Haltung. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 endete diese eigenständige Wiener Formensprache, da totalitäre Regime individuelle Ausdrucksformen unterdrücken.